Glasfaser nein danke?

Jetzt wird sogar auf Brötchentüten geworben. Doch die Vilbeler haben Bedenken. Verschlafen sie den Anschluss an die Zukunft?

Fünfzehn Prozent wollen bisher mitmachen. Das wird nicht reichen.

Der Nachbarort Karben hat es bereits vorgemacht. Dort hat man sich für den Anbieter Yplay aus Altenstadt entschieden. Ein Jahr lang waren die Berater der Firma unterwegs, um die Zustimmung der Kunden für einen Anschluss zu testen. Dann wurde das Ergebnis für die einzelnen Ortsteile in der Stadtverordnetenversammlung verkündet:

Burg-Gräfenrode 47% 

Petterweil 43% 

Okarben 43% 

Kloppenheim 38% 

Klein-Karben 33% 

Rendel 30% 

Groß-Karben 27 %
(Niederschrift Seite 11)

Yplay zeigte sich zuversichtlich, dass die erforderliche Quote von vierzig Prozent für Kloppenheim noch im Februar und für ganz Karben in im zweiten Quartal erreicht werden könne.
Mit den Bauarbeiten und der weiteren Vergabe von Aufträgen wurde daraufhin begonnen.

In Vilbel setzt man sich auf die Deutsche Giganetz. Eine Kooperationsvereinbarung mit dem Anbieter wurde vom Stadtparlament in seltener Einstimmigkeit beschlossen. Das 2020 gegründete Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Hamburg, wird hauptsächlich durch zwei große Vermögensfonds finanziert und will in den nächsten Jahren insgesamt drei Milliarden Euro in den Ausbau des Glasfasernetzes stecken. 25 Millionen davon sollen in die Quellenstadt fließen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger es denn wollen.

Anfang Oktober 2022 begann die Werbephase. Auch hier wollte man mindestens vierzig Prozent aller Haushalte überzeugen. Sonst würde sich das Vorhaben nicht lohnen. Stichtag zum Erreichen der Quote war der 31. Januar 2023. Überall in der Stadt wurden Plakate aufgehängt. Mitarbeiter, gekleidet in Orange, schwärmten aus und klingelten an den Haustüren. Das traf nicht überall auf Beifall, unter Nachbarn war die Rede von “Drückerkolonnen”.

Auch in den sozialen Medien wurde die Sache diskutiert. Geschätzt war ungefähr die Hälfte dagegen. “Brauche ich nicht” war das häufigste Argument, gefolgt von ”zu teuer”. Größte Sorge aber war: “Dann wird ja schon wieder alles aufgebuddelt”.

Ist das denn nötig?

Es stimmt zwar, dass Vilbel bereits zu 93 Prozent mit Kupferkabeln und damit im Vergleich zu anderen Gemeinden gut versorgt ist. Sie lassen sich bei Bedarf durch sogenanntes “vectoring” noch weiter aufbohren. Übertragungsraten von 100 Megabit pro Sekunde werden damit möglich. In Einzelfällen sind sogar 250 MBit/s drin. Doch das ist das Ende der Fahnenstange. Und je mehr Anschlüsse dazukommen, desto enger wird es.

In Bad Vilbel gibt es heute zwei Bereiche, in denen bereits schnelles Glasfasernetz verlegt ist: Im Wohngebiet der ehemaligen Ziegelei in Massenheim und im Neubaugebiet Quellenpark. Das soll sich ändern. Die Deutsche GigaNetz verspricht, die gesamte Stadt mit Fibre to the Home (FttH) beziehungsweise Fibre to the Building (FttB) versorgen. Also mit Anschlüssen für jedes Gebäude.

Was soll das kosten?

Aus heutiger Sicht nicht mehr als bei anderen Anbietern. Die Giganetz verspricht für den Anfang sogar Rabatte.

Auch im Info-Container am Südbahnhof wird geworben

Bleibt die Frage nach den Baumaßnahmen. Daran scheiden sich die Geister. Interesse gezeigt hatten in der Region Frankfurt Rhein/Main auch die Telekom und die Deutsche Glasfaser. Alle drei Bewerber versprachen, den Ausbau aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Am Geld allein kann es also nicht gelegen haben, wer den Zuschlag bekam. Der Anbietervergleich, den die Stadt zugrunde legte, war jedenfalls von vornherein auf das Angebot der Giganetz zugeschnitten.

Entscheidend war am Ende wohl, wie die Kabel in die Erde gebracht werden. In der Vereinbarung heißt es nun, “dass im verbauten Ortsgebiet klassischer Tiefbau im Gehwegbereich anzustreben ist.” Abweichungen davon seien nur in Ausnahmefällen möglich.

Und ewig rückt der Bagger an

Klassischer Tiefbau heißt: Nicht weniger als sechzig Zentimeter tief. Ein typischer Fall für Bagger. Die kamen in den vergangenen Jahren im Bereich der Innenstadt schon mehrfach zum Einsatz.

Unter dem Pflaster liegt nicht nur der Strand: Zweiter Bauabschnitt zur Attraktivierung der Frankfurter Straße zwischen Wiesengasse und Marktplatz (2021 bis 2023)

Ladeninhaber, Gastronomen und Anwohner hatten in dieser Phase einiges zu ertragen. Zumal die Baumaßnahmen damit nicht abgeschlossen sind. Der dritte Bauabschnitt, der Anfang Februar zwischen Erzweg und Grünem Weg begonnen wurde, soll bis 2024 dauern und schließlich am Südbahnhof enden.

Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, die neuen Glasfaserkabel bei dieser Gelegenheit gleich mit zu verlegen. Doch das zu koordinieren war während der umfangreichen Bauarbeiten offenbar nicht möglich. So können sich die Vilbeler darauf einstellen, dass die Giganetz irgendwann erneut zur Tat schreitet.

Oder auch nicht. Die Frist zur Erreichung der 40-Prozent-Quote ist noch einmal bis zum 1. Mai 2023 verlängert worden. Und wenn es wieder nicht reicht? Bleibt die Stadt entweder auf den alten Kupferkabeln sitzen. Oder es wird der nächste Investor gesucht.

Dann würde das Vorhaben wieder bei Null beginnen. Und mit Sicherheit nicht bis zum geplanten Hessentag Mitte 2025 über die Bühne gehen. Den allerdings wünschen die meisten, die man fragt, herbei. Und danach gut. Weil endlich Schluss sein soll mit den ewigen Baumaßnahmen.

Es gibt immerhin Ideen, wie es anders gehen gehen könnte. Schneller, kostengünstiger und mit weniger Lärm und Staub.

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