Dem 🌻 Morgenrot entgegen
Früher hatte ich immer Sonnenblumen im Garten. Heute nicht mehr. Warum eigentlich?
Ein wahres Prachtexemplar. Aber recht eigenwillig.
Wahrscheinlich, weil ich mich zunehmend über sie geärgert habe. Dauernd musste man sie anbinden, und dann schauten sie mich noch nicht mal an, sondern hartnäckig zum Nachbarn hinüber. Was die Theorie Lügen strafte. Müssen Sonnenblumen, wie der Name schon sagt, sich nicht nach dem Stand der Sonne richten? Denken viele, stimmt aber nicht. Täglich von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang wandern nur die Spitzen der Jungpflanzen von Helianthus annuus.
Von Ost nach West
Wie sie das fertigbringen, haben Botaniker der University of California untersucht. Tagsüber sammelt sich im sonnenabgewandten Teil des Stengels das Phytohormon Auxin und bewirkt dort ein stärkeres Längenwachstum. Nachts wandert es in die Gegenrichtung, und so gleicht sich die Sache aus.
Doch ganz so einfach ist das nicht
Die Forscher haben die Sonnenblumen ausgetrickst, indem sie sie in Töpfe gepflanzt und entweder festgebunden oder gleich in der Morgendämmerung von Ost nach West gedreht haben. An ihrem angeborenen Heliotropismus gehindert, zeigten sich die Gewächse beleidigt und kümmerten vor sich hin. Hielt man sie unter Dauerlicht, hörten sie nach ein paar Tagen auf, sich zu drehen. Ein künstlicher Tag- und Nachtwechsel, der nicht 24, sondern 30 Stunden dauerte, brachte sie restlos durcheinander.
Aus dem Rhythmus gebracht
Konservative Pflänzchen also, die es nicht gern haben, wenn man ihren Rhythmus stört. Sobald sie aber Blüten bilden, hört die ganze Kreiselei von selbst auf. Dann schauen die Sonnenblumen unisono nur noch ins Morgenrot. Auch dafür haben die Botaniker eine Erklärung gefunden. Eine leichte Bevorzugung der Ostrichtung ist bereits in den Keimlingen angelegt und setzt sich später endgültig durch. Die Blüten erwärmen sich auf diese Weise schneller und werden häufiger von Insekten besucht. Man kann denselben Effekt erzielen, wenn man die Blüten von Kübelpflanzen nach Westen ausrichtet und anschließend künstlich erwärmt.
1 – 1 – 2 – 3 – 5 – 8 – 13 – 21
Die Sonnenblume hat noch weitere merkwürdige Eigenschaften. Ihr Genom ist annähernd so groß wie das des Menschen und die Anordnung ihrer zahlreichen Röhrenblüten, aus denen später die Samen hervorgehen, folgt exakt dem Goldenen Winkel von 137,5 Grad. Dadurch bilden sich im gesamten Blütenrund mehrere links- und rechtsdrehende Spiralen, deren Anzahl wiederum einem Glied aus der Fibonacci-Reihe entspricht.
Benannt ist letztere nach dem Mathematiker Leonardo Fibonacci, der im 13. Jahrhundert berechnet hatte, wie sich wohl Kaninchen vermehren, die mit zwei Monaten geschlechtsreif werden und anschließend jeweils ein Junges pro Monat zur Welt bringen (nämlich durch Addition aufeinanderfolgender Zahlen: 1 – 1 – 2 – 3 – 5 – 8 – 13 – 21 - 34 usw.
Wie die Kaninchen
Die Sonnenblume erreicht nach diesem Prinzip die dichtest mögliche Packung ihrer Samenkörner. Schon eine Abweichung von einem einzigen Grad würde die Harmonie empfindlich stören.
Alles hübsch geordnet. @ Wikimedia common
Neun Meter plus
Den Rekord, die größte Sonnenblume der Welt aufgepäppelt zu haben, hält im übrigen nach wie vor Hans-Peter Schiffer aus dem niederrheinischen Kaarst. Bei neun Metern hatte er schon aufgehört, nachzumessen, bis die Feuerwehr mit dem Leiterwagen anrückte und der Mann vom Guinness Buch der Rekorde das Endergebnis verkündete: 9,17 Meter.
Vielleicht versuche ich es nächstes Jahr doch mal wieder.